Königsbach-Stein (ots) –
Drei Monate auf Bewährung haben die beiden 16-jährigen Schüler vom Gericht aufgebrummt bekommen, nachdem sie einen jüngeren Mitschüler übel drangsaliert und ihm seine Kopfhörer abgenommen hatten.
Wirklich echt bei dieser „Gerichtsverhandlung“ am vergangenen Freitagmorgen in einem Klassenzimmer der Willy-Brandt-Realschule war in seiner Rolle als Richter allerdings ausschließlich Amtsgerichtdirektor Oliver Weik. Auch ein echter Polizist und selbstverständlich echte Schüler sowie deren Lehrer waren mit von der Partie, aber dazu später mehr.
Die ganze Aktion mit der Klasse 10d der Willy-Brandt-Realschule in Königsbach fand statt im Rahmen des Projekts „Rechtsstaat macht Schule“, das sich an alle weiterführenden Schulen richtet und bei dem Schüler in interaktiven Übungen und Planspielen rechtsstaatliches Vorgehen kennenlernen. Funktionsträger aus Polizei und Justiz stellen zentrale Rechts- und Verfassungsnormen vor und laden die Schüler zum Austausch über die Regeln unseres Zusammenlebens ein. Das Projekt gibt dem Rechtsstaat ein Gesicht und ist somit ein Werben für die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, das Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Nicht zuletzt wird dabei auch ein weiteres Ziel verfolgt: Für den Zusammenhalt in der Gesellschaft ist es wichtig, dass die Akteure staatlicher Streitschlichtung von allen respektiert und die staatlichen Normen des Zusammenlebens von allen akzeptiert werden. „Rechtsstaat macht Schule“ setzt genau an dieser Stelle an.
Der ursprüngliche Startschuss für das Projekt war bereits Anfang des Jahres 2020. Wie viele andere Dinge auch, fiel dessen Durchführung dann allerdings der Coronapandemie zum Opfer. Im Jahr 2023 erfolgte nun der Neuanfang des Projekts und das mit großem Erfolg. Bereits 14 Mal war das Projekt im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums in diesem Jahr in Schulen zu Gast. Dabei erreichten die Polizisten zusammen mit den Vertretern der Justiz sowie den jeweiligen Lehrkräften schon mehr als 300 Schüler – weitere Veranstaltungen sind in Planung.
Bei der Veranstaltung in der Willy-Brandt-Realschule waren es 21 Schüler, die sich mit großer Motivation an dem Projekt beteiligten, das ihr Lehrer und gleichzeitig der Schulleiter, Dieter König, an die Schule geholt hatte. Die Zehntklässler lauschten aufmerksam den spannenden Informationen ihrer Gäste von Polizei und Justiz.
Den ersten Teil dieses Unterrichts der besonderen Art gestaltete Polizeioberkommissar Fabian Faigle vom Polizeirevier Pforzheim-Nord. Als Streifendienstbeamter ist für Fabian Faigle sein eigentlicher Arbeitsplatz überall dort, wo die Polizei gebraucht wird – sei es an einem Tatort, an anderen Schauplätzen, zu denen er gerufen wird, oder eben auf Steife zu Fuß oder im Polizeiauto.
Für die Schüler der Klasse 10d hatte Fabian Faigle seinen Arbeitsplatz nun für einen halben Tag mit dem Klassenzimmer getauscht. Der Polizist erklärte den Schülern die Bedeutung unseres Rechtsstaates und informierte sie über die wichtigen Aufgaben, welche die Polizei dabei wahrnimmt. Danach hieß es für die Zehntklässler selbst aktiv zu werden: In Kleingruppen untersuchten sie verschiedene Fälle mit Straftaten, wie sie leider auch in echt hätten passieren können. Dabei handelte einer der Fälle von den beiden eingangs erwähnten 16-Jährigen, die ihrem Mitschüler übel mitspielten und ihm seine Kopfhörer abnahmen. Zusammen mit Polizeioberkommissar Faigle beleuchteten die Schüler dann die Rollen der Beteiligten in dem Fall: Wer sind hier die Beschuldigten? Gibt es Zeugen? Dabei erläuterte Fabian Faigle den Jugendlichen auch, was die Polizei tut, wenn sie zu so einem Fall gerufen wird. Er informierte über polizeiliche Maßnahmen, wie etwa eine Identitätsfeststellung oder auch eine Wohnungsdurchsuchung nach Beweismitteln. Auch was dann mit einer Strafanzeige passiert und welche Rechte die Beteiligten in diesem Verfahren haben, war Inhalt des interaktiven Vortrags.
Den zweiten Teil des Unterrichts übernahm Amtsgerichtdirektor Oliver Weik. Normalerweise arbeitet der Chef des Pforzheimer Amtsgerichts in seinem Gerichtssaal dafür, dass im Namen des Volkes Recht gesprochen wird. An diesem Freitagmorgen war er nun dafür da, den überaus interessierten Zehntklässlern zunächst den Aufbau der Justiz und deren Aufgabe im Rahmen der demokratischen Gewaltenteilung anschaulich zu machen. Der Richter erklärte dabei juristische Tatbestände, wie etwa Diebstahl, und schilderte seinen Zuhörern den Gang eines Strafverfahrens, nachdem eine Anzeige der Polizei an die Justiz übermittelt wurde. Oliver Weik informierte über den Inhalt einer Strafanzeige, über die Gestaltung einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bis hin zur Eröffnung der Hauptverhandlung. Genau eine solche stellte zum Ende des Projekttages dann auch den interaktiven Höhepunkt für die Schüler dar. Schnell wurden ein paar Tische zu einem „U“ zusammengeschoben und so ein Gerichtssaal im Klassenzimmer improvisiert. Es sollten sich nun die beiden 16-Jährigen aus dem zuvor besprochenen Fall für ihre Tat bei einer Gerichtsverhandlung verantworten – im Raum stand: Räuberische Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl. Um die Hauptverhandlung möglichst originalgetreu darzustellen, wurden nun die Rollen verteilt: Zwei Schüler spielten die beiden Täter, einer den Geschädigten und weitere zwei Schüler waren Zeugen. Auch die Rolle des Staatsanwalts als Vertreter der Anklage wurde durch einen Schüler übernommen. Nachdem die Rollen verteilt waren, legte Amtsgerichtsdirektor Weik seine Original-Richterrobe an und nahm auf dem „Richterstuhl“ Platz. Was dann folgte, war eine Gerichtsverhandlung, die, wenn auch imitiert, nicht zuletzt dank der routinierten Verhandlungsführung von Oliver Weik auch diesen Teil rechtsstaatlichen Handelns sehr anschaulich darstellte. Und am Ende hieß das Urteil für die Täter: Drei Monate Haft auf Bewährung.
Mit diesen besonderen Eindrücken endete für die Zehntklässler ein sicherlich sehr interessanter Freitagmorgen und ihre Besucher von Polizei und Justiz verabschiedeten sich, um wieder in ihre andere Arbeitswelt einzutauchen.
Frank Weber, Pressestelle
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