Berlin (ots) –
„Wie hätten Sie als Maschinist oder Fahrzeugführer reagiert, wenn Sie mit Feuerwerkskörpern beschossen werden, während Sie mit dem Löschfahrzeug zur Einsatzstelle fahren?“ Eine Frage, die nicht alltäglich ist und die sich viele noch nicht gestellt haben; Christian Woletz hat diese Situation als Einsatzkraft der Berliner Feuerwehr an Silvester 2022/2023 erlebt. Eindrucksvoll schilderte er zum Auftakt des 11. Bundesfachkongresses des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), wie er Gewalt gegen die anrückenden Feuerwehrleute erleben musste. „Es ist eine Dimension an Gewalt, die alles bisher Dagewesene in Berlin in den Schatten stellt, dabei sind wir als Großstadt schon einiges gewohnt gewesen“, bedauerte Woletz.
Der zuständige Berliner Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe, beschrieb dann in seinem Vortrag „den Dreiklang der rechtsstaatlichen Mittel von Prävention, Intervention und Repression als notwendigen Ansatz zur Verhinderung von sich verschlimmernden gesellschaftlichen Entwicklungen“. Die Verzahnung von Judikative und Legislative, die Bereitstellung von erforderlichen Finanzmitteln und insbesondere die Entschlossenheit, für die Sicherheit der Einsatzkräfte mit geeigneten technischen und taktischen Mitteln einzustehen, seien aus Sicht des Berliner Senats die geeigneten Maßnahmen. Daran wolle man ganz konsequent festhalten.
Die Ursachen solcher Gewalteskalationen analysierte Ahmad Mansour. Der bekannte Psychologe und Autor beschrieb in seinem Vortrag Hintergründe und erste Lösungsansätze. Eine Feststellung war ihm äußerst wichtig: „Die Gesellschaft, egal, ob mit Migrationshintergrund oder nicht, steht hinter Ihnen als Einsatzkräfte. Ihre Arbeit verdient Respekt, das wird nur selten gesagt.“ In der öffentlichen Wahrnehmung würden oft vorschnelle Einschätzungen hierzu abgegeben, die nicht zwingend die Realität abbilden. Mansour erläuterte umfangreich die Sozialisierung in patriarchalen Strukturen, die eine völlig andere Herangehensweise an Alltagssituationen begründe. „Wenn aus Unsicherheit Aggressivität wird, werden Einsatzkräfte angegriffen. Klare Ansagen werden als Kränkung angenommen“, so Mansour. In der Wahrnehmung der eigenen Ohnmachtsgefühle versuchten sie in ihrer Unsicherheit, andere zu Opfern zu machen, um diese wiederum zu beherrschen. „Das ist dann der Auslöser für Gewaltbereitschaft als Mittel zum Verschwinden der Minderwertigkeit“, erklärte der Psychologe.
DFV-Vizepräsident und Fachanwalt für Strafrecht Lars Oschmann ordnete den 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bundesfachkongresses die Vorfälle von Gewalt im Einsatz juristisch ein. Er beschrieb, dass zwar die Definition von Gewalt klar und eindeutig sei, allerdings die Wahrnehmung durch Einsatzkräfte in Einzelfällen durchaus davon abweichen könne. Minimiert nun aber überhaupt diese Strafzumessung die Gewalt? „Nein, dies hat nicht zu einer Verminderung geführt, nun aber soll das Strafmaß dennoch erneut erhöht werden. Hintergrund ist die Aufweitung als ‚Verbrechen‘, das mit einem Strafmaß von mindestens einem Jahr belegt ist und viele weitere Möglichkeiten der Beweisführung eröffnet. Das Ziel ist die Effektivität der richterlichen Entscheidung, welche hoffentlich zu mehr Abschreckung führt als bisher“, führte Oschmann aus. Hierfür seien auch spezielle Staatsanwaltschaften ein probates Mittel.
Wie schnell einfache alltägliche Begegnungen schon als bedrohlich wahrgenommen werden können und daraus Gewalt als Gegenreaktion resultiert, ordnete Notfallseelsorger Olaf Engelbrecht ein. Aggressionen seien im Übrigen bei Frauen und Männern anders ausgeprägt. Auch unterschiedliche Kulturen stießen in ihrer spezifischen Reaktion aufeinander. „Komplexe soziale Systeme monopolisieren Gewalt“, erläuterte er. Mit nachdenklichen Beispielen führte Engelbrecht das Plenum in das alltägliche Wechselspiel der Macht ein. Dabei verlor er als Feuerwehrseelsorger aus Braunschweig nie den Bezug zu den Situationen des Einsatzpersonals. Wichtig sei, sich als Feuerwehr-Einsatzkraft mit den Gefahren sowie mit den Möglichkeiten der Bewältigung von Angriffen zu beschäftigen.
„Wir brauchen Respekt, Empathie und Werte“, resümierte Heinz Kreuter, Moderator und Mitglied des DFV-Beirats, der die Veranstaltung mit hoher Sachkenntnis begleitete. In Pausengesprächen gab es nicht nur die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, sondern auch zum Besuch der Fachausstellung von Mitgliedern des DFV-Förderkreises.
Verschiedene Aspekte der Elektromobilität dargestellt
Im zweiten Themenkomplex „Elektromobilität als Herausforderung“ beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der E-Mobilität. Den Auftakt bildete der Vortrag von Marcel Hommens vom Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz, in dem er sich mit den Herausforderungen bei schweren Verkehrsunfällen mit E-Fahrzeugen beschäftigte und praxisorientierte Erkenntnisse beschrieb. „Mit der Erkundung muss bereits die Einsatztaktik angepasst werden“, riet Hommens. Er führte aus, dass neben dem Trupp, der zu Personenrettung am Fahrzeug arbeite, und dem Trupp zur Sicherstellung des Brandschutzes ein weiterer Trupp mit Atemschutz, einem Lüfter sowie, sofern vorhanden, einer Respihood bereitstehen solle. „Letztlich stehen den Feuerwehren alle Mittel zur Abarbeitung solcher Lagen zur Verfügung; im Fall der Fälle muss allerdings die Taktik angepasst werden“, resümierte der Referent.
Christian Emrich, Branddirektor der Feuerwehr München, beschrieb zunächst die Entwicklung und den aktuellen Sachstand der Fachempfehlung zur Brandbekämpfung bei E-Fahrzeugen. Viel ist in den vergangenen Jahren diskutiert worden, aber wie ist der Kenntnisstand 2023? „Wasser reicht zum Löschen aus. Die öffentlichen Feuerwehren benötigen keine gesonderten zusätzlichen Gerätschaften“, so die klare Botschaft Emrichs. Er appellierte, bei brennenden E-Fahrzeugen „nicht mehr und nicht weniger“ zu machen als früher. Aufgabe der Feuerwehr sei die Brandbekämpfung sowie die Personenrettung. Nach erfolgten Löschmaßnahmen riet er zu einer sauberen Übergabe an ein Abschleppunternehmen. „Diese haben sich über die Jahre darauf eingestellt und Kompetenzen aufgebaut“, so Emrich.
Einen anderen Blickwinkel auf die Themenwelt bot Rainer Kunze von der Feuerwehr Hannover. Er berichtete über die ersten Schritte der Umstellung von Einsatzfahrzeugen auf E-Fahrzeuge in der Region Hannover. Grundlage war der Auftrag, Einsatzfahrzeuge in der Gewichtsklasse bis 5,5 Tonnen, soweit ein brauchbares Produkt am Markt erhältlich ist, auf E-Mobilität umzustellen. Kunze berichtete von den verschiedenen Stufen von der Identifikation relevanter Fahrzeugtypen über die Ermittlung möglicher Produkte bis hin zur Umsetzung. Das größte Projekt habe der Prototyp eines elektrogetriebenen Rettungswagens dargestellt. Nach wie vor gebe es Restriktionen in der Produktpalette: ein höheres Fahrzeuggewicht sowie höhere Kosten. „Es ist meine Prognose für die nächsten zwei Dekaden, dass es gewisse Produkte nicht mehr mit dem bisherigen Kraftstoff geben wird“, so seine Einschätzung.
Eine noch umfangreichere Berichterstattung zu den einzelnen Vorträgen gibt es unter https://www.feuerwehrverband.de/veranstaltungen/bundesfachkongress/. Dort werden auch die freigegebenen Präsentationen online gestellt. Bilder stehen unter https://www.feuerwehrverband.de/presse/bilder/ zum Herunterladen zur Verfügung.
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